Die Kult-Thrasher aus der Bay Area hatten nicht nur bei mir noch
was zu gut zu machen, sondern auch bei all denen Besuchern vom
Kofmehl, die im letzten August in Luzern schon dabei waren. Der
Kurzauftritt von etwas über einer Stunde hinterliess da einen eher
schalen Nachgeschmack, der durch die vergleichsweise spottbillige
Merchandise letztlich nicht wett gemacht werden konnte. Dazu kam,
dass die vermeintliche Unpässlichkeit wegen der Notwendigkeit, sich
früh für den Auftritt in Wacken auf die Reise machen zu müssen, doch
nicht so früh in die Tat umgesetzt wurde. Wie dem auch sei, das ist
vergangen, aber nicht vergessen. So erhofften sich die angereisten
Fans und meine Wenigkeit für heute Abend natürlich einen fetten
Auftritt, der richtig Arsch tritt und am Schluss eine insgesamt
versöhnliche Note hinterlässt. Es kam leider wieder nicht so! Der
erste Downer war bereits die bald erlangte Gewissheit, dass heute
Abend keine Support-Band zugegen sein wird. Immerhin stand ein
zumindest optisch fetter Bühnenaufbau bereit, der selbstsprechend
erklärte, warum man für den heutigen Anlass keine Vorgruppe gebucht
hatte, denn es fehlte schlicht der Platz dazu!

Testament
Nach ein paar bekannten Metal-Classics ab Band war es dann um 20.45
Uhr soweit: Chuck Billy und sein wilder Haufen enterten die Bühne
und legten ohne grossen Firlefanz gleich mit dem Opener «Rise Up»
vom aktuellen Album «Dark Roots Of Earth» (2012) los. Es folgte «More
Than Meets The Eye» auf dem Fusse von «The Formation Of Damnation»
(2008), ehe mit «Native Blood» die zweite neue Thrash-Keule
vorgestellt wurde. Spätestens jetzt war die Meute nicht nur optisch
gut drauf, sondern antizipierte immer besser. Dies bei mehrheitlich
ziemlich schummrigen Lichtverhältnissen und zusätzlichem
Strobolicht-Gewitter! „Na toll!“ entfuhr es mir in der ersten Reihe
und die Gesichter meiner Fotopit-Kollegen sprachen ebenfalls Bände.
Dennoch sollten am Schluss einige gute Shots übrig bleiben, was ich
aber erst später, respektive zu Hause feststellte. Ein erster
Höhepunkt des Konzertes war natürlich die Abrissbirne «Into The Pit»,
die die ohnehin schon hohe Raum-Temperatur weiter ansteigen liess.
Chef Chuck Billy war recht ordentlich bei Stimme und hatte natürlich
wieder seinen speziellen verkürzten Mikrophonhalter mit dabei.
Derweil powerten seine Kollegen, namentlich Alex Skolnick (g) und
Eric Peterson (g),
sowie die Rhythm-Section mit Greg Christian (b)
und Drum-Ikone Gene Hoglan (d) geballt nach vorne. Gerade letzteren
Musiker hatte ich nicht mehr so präsent im aktuellen Lineup von
Testament und darum wog die Freude gleich doppelt. Sein druckvolles
volles Spiel war denn auch für den grundsätzlich respektablen Sound
prägend. Mit «The Haunting» wurde die Zeitmaschine indes kräftig in
die Vergangenheit geschickt und zeigte auf, dass die Amis, wie ihre
Kollegen von Overkill, Exodus oder Machine Head immer noch ein
gewichtiges Wörtchen in der Szene mitzureden haben. Mein erster
flüchtiger Blick auf die auf der Bühne angeklebte Setliste liess
allerdings für den heutigen Abend bezüglich der Spieldauer nicht
wirklich Freude aufkommen, denn vierzehn Songs sind bei einer
Thrash-Band schneller durch als zum Beispiel bei Dream Theater. So
kam schliesslich, was aufgrund dieser Tatsache unweigerlich kommen
musste, nachdem die Band ihre Fans bis hierhin ohne Zweifel
überzeugen konnte: Das Konzert war abermals (zu) früh zu Ende und
ein Blick auf die Uhr brachte, inklusive etwas Goodwill, gerade mal
knappe 75 Minuten hervor! Auch wenn sich einige Leute mit der
Performance zufrieden zeigten, schrammte das Ganze für das zahlende
Publikum haarscharf an einem Skandal vorbei. Keine Ahnung, warum
Testament hier ein weiteres Mal kneiften, aber ich persönlich werde
mir die kommenden Tourneen zuvor journalistisch genau unter die Lupe
nehmen und dann entscheiden, ob ich hingehen werde oder nicht!
Setliste: «Intro» - «Rise Up» - «More Than Meets The Eye» - «Native
Blood» - «True American Hate» - «Dark Roots Of Earth» - «Into The
Pit» - «Practice What You Preach» - «The New Order» - «The Haunting»
- «Alone In The Dark» - «Over The Wall» - «D.N.R. (Do Not
Resuscitate)» - «3 Days In Darkness» - «The Formation Of Damnation».

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