Livereview: The Cult
30. Juli 2010, Zürich - Volkshaus
By Rockslave

Die Freude meinerseits bei der Ankündigung dieses Konzertes war gross, denn irgendwie sind The Cult in den 80ern und 90ern auftrittsmässig an mir vorbei gerauscht, warum auch immer! Spätestens seit dem dritten Studio-Album «Electric» von 1987, einem absoluten Hardrock-Meilenstein, muss jeder AC/DC-Fan diese Band zwingend auch kennen! Nicht wenige meinten danach zu diesem Klassiker, dass dies das Album sei, das Angus & Co. eigentlich hätten bringen müssen, aber nie fertig gebracht haben! Dazu kommt, dass Frontmann Ian Astbury zumindest früher eine unglaubliche Aura ausstrahlte und oft als Jim Morrison (R.I.P.) der Neuzeit galt. Der zweite, kreative Kopf ist Gitarrist Billy Duffy, ohne den es die zahlreichen, geilen Riff-Monster nicht geben würde und obwohl es The Cult seit 2006 wieder richtig ernst meinen, tourten und 2007 ihr bislang letztes Studio-Album «Born Into This» veröffentlichten, sollte es nochmals ein Weilchen dauern, bis ich die Kult-Truppe in der Schweiz endlich mal zu Gesicht bekommen sollte. Das Fehlen eines Supports war dabei Nebensache wie ärgerlich zugleich.

The Cult

Warum am heutigen Abend keine Vorgruppe zugegen war, entzieht sich meiner Kenntnis, zumal auf dem Ticket ja ein "Special Guest" angekündigt war. Bei einem Stehplatz-Preis von annähernd CHF 60.- dürfte dem Publikum nämlich schon etwas mehr geboten werden. So dauerte es dann halt eine ganze Weile, bis das Volkhaus quasi aus dem Halbschlaf gerissen wurde. Um Punkt 21.30 Uhr war es dann endlich soweit und eine ziemlich laute wie brachiale Version von «Lil' Devil» eröffnete das erwartete "Best-Of"-Konzert mit einem Streifzug durch fast die ganze Karriere der Engländer. «Electric Ocean», ebenso auf «Electric» zu finden wie der Opener, legte gleich noch mehr Briketts nach und versetzte das altersmässig bunt gemischte Publikum gleich in eine ausgelassene Stimmung. Ian Astbury's Stimme war soweit gut in Form, was man von seinem etwas pfundig wirkenden Äusseren auch sagen konnte. Billy Duffy sah derweil mit seinem Kurzhaarschnitt etwas gar brav aus, was sich aber zum Glück nicht auf sein Gitarrenspiel übertrug. Der Sound kam recht scharf und laut aus der PA geschossen und das Armschwingen à la Pete Townshend unterstrich die vorhandene Power auch optisch. Unterstützt wurden die beiden Ur-Mitglieder von Mike Dimkich (g), Chris Wyse (b) und John Tempesta (b), die seit 2006 fest an Bord sind und man daher von einem durchaus gefestigten Lineup sprechen kann. Das ist nicht so selbstverständlich, denn insgesamt gaben sich in den vergangenen einige Musiker die Klinke in die Hand. 1999 stiess ja ein gewisser Matt Sorum (Ex-Guns n' Roses) ein zweites Mal zur Band, ging mit ihnen anschliessend auf Tour und spielte 2001 das mittlerweile etwas verkannte Album «Beyond Good And Evil» ein. Für mich war das die stärkste Besetzung damals, auch von der Optik her. Doch das ist längst kalter Kaffee und wer die aktuelle Band heute Abend in Zürich hat spielen sehen, bekam die volle Dröhnung um die Ohren geballert! Die Setliste reichte zurück bis zum Debüt-Album «Dreamtime» (1984) und enthielt unter anderem auch zwei "neue Songs" von «Born Into This». Interessanterweise wurde «Ceremony» von 1991 komplett ignoriert, was an dieser Stelle schon etwas erstaunt, denn dieses Teil rockt ja genauso wie der Rest! Die Hitdichte war jedoch auch so auf hohem Niveau und wurde immer frenetischer abgefeiert. Überhaupt stand eigentlich nur die Musik im Vordergrund, will heissen man verzichtete auf jeglichen Schnick-Schnack auf der Bühne. Nicht mal ein Backdrop mit dem Bandlogo war zu sehen und selbst das Licht stammte von der hausinternen Anlage. The Cult waren also quasi nur mit ihren Instrumenten plus Stage-Amps unterwegs und wahrscheinlich konnte man sich sowieso glücklich schätzen, dass überhaupt ein Konzert in der Schweiz abgehalten wurde. Die beiden Zugaben «Love Removal Machine» und «She Sells Sanctuary» entfachten zum Schluss nochmals ein Höllenfeuer der gepflegteren Art und nach rund 85 Minuten war ein überraschend gutes Gastpiel von Ian Astbury und seinen Kollegen zumindest gefühlt viel zu früh zu Ende gegangen. Bleibt also schwer zu hoffen, dass sich die Engländer bald wieder in unseren Breitengraden sehen lassen, denn der überaus laute Schlussapplaus dürfte Grund genug dafür sein!

Setliste: «Lil' Devil» - «Electric Ocean» - «Phoenix» - «Rain» - «Sweet Soul Sister» - «Revolution» - «The Witch» - «I Assassin» - «Edie (Ciao Baby)» - «Nirvana» - «Star» - «Spirit Walker» - «Rise» - «Dirty Little Rockstar» - «Fire Woman» - «Wild Flower» -- «Love Removal Machine» - «She Sells Sanctuary».