Livereview: Thin Lizzy - Supersuckers
03. Februar 2011, Pratteln - Z7
By Rockslave
Eigentlich grenzt es ja an ein Wunder, dass Thin Lizzy wieder auf der Z7-Bühne stehen durften! Wie das? Einige Fans dürften die "Ära Sykes" noch in bester oder eben schlechter Erinnerung haben. Nebst mehrfach an- und wieder abgesagten Shows schoss man beim letzten Besuch im Herbst 2008 den Vogel schliesslich total ab! Mit dem damaligen Bandboss John Sykes zusammen, lieferte eine bis auf Drum-Legende Tommy Aldridge (Ex-Ozzy, Ex-Whitesnake) eher uninspirierte Band ein wirklich desaströses wie unhaltbar kurzes Konzert (70 Minuten!) als Headliner ab, das einfach nur ein Schlag ins Gesicht eines jeden Besuchers gewesen ist, der dafür 50 Franken Eintritt bezahlt hatte! Unter diesen Umständen war es nur verständlich, dass für die Organisatoren die "Akte Thin Lizzy" fortan geschlossen war. Umso grösser war dann die Überraschung im noch jungen Jahr, dass man hierzu tatsächlich wieder Positives vermelden konnte. Das lag vor allem am neuen, sackstarken Lineup mit Ex-The Almighty Sänger/Gitarrist Ricky Warwick, Ex-Dio/Def Leppard Klampfer Vivian Campbell, Bass-Monster Marco Mendoza, sowie den Ur-Musikern Scott Gorham (g), Darren Wharton (keyb) und Brian Downey (d). Supersuckers als Support aus Übersee rundeten diesen Neuanfang erfreulich ab.

Supersuckers

Aufgrund der Optik und der ersten Sprüche hatten wohl bald alle bemerkt, dass die Vorband des Abends untrüglich aus Amerika stammte. Die Punk "Country" Rocker, ursprünglich gegründet in Tucson (AZ) und jetzt in Seattle beheimatet, sind allerdings keine Frischlinge, was man zum einen dem Alter der Musiker ansah und auch bald hörte, denn die von Anfang an rotzig groovende Mucke klang ziemlich fett und tight. Hinzu kam die typische, auf-gesetzte und etwas überheblich wirkende we are "The greatest Rock'n'Roll band in the world" Attitüde, aber was kann man schon erwarten, wenn sich der Leadsänger und Bassist mit Cowboy Hut entsprechend Eddie Spaghetti nennt?! Weiter von der Stammformation dabei war Gitarrist Dan 'Thunder' Bolton. Ergänzt wurde das Quartett durch die Neuzugänge 'Metal' Marty Chandler (g/v) und Scott 'Scottzilla' Churilla (d). Die beiden Gitarristen zeigten ihr Können und rifften wie solierten beide abwechselnd wie abwechslungsreich und steuerten auch noch Backing Vocals bei. Die Songs waren grundsätzlich eher kurz gehalten und klangen in meinen Ohren oft nach den alten Sex Pistols, Motörhead und nicht selten kamem mir die glorreichen Tage von Zodiac Mindwarp (And The Love Reaction) in den Sinn. Die gut 300 bis eher gegen 400 Fans machten mit und beklatschten die Amis ganz ordentlich. Diese beantworteten die anerkennende Reaktion des Publikums mit wirklich beherztem Spiel, das total auf den Punkt gebracht wurde. Beeindruckend war auch das Drum-Solo von Scott Churilla, der seinem optisch spärlich anmutenden Arbeitsgerät hammergeile Beats und Fills entlockte. Klischeebehaftet waren dann allerdings die Bemerkungen von Master Spaghetti, der ein Loblied auf unseren Käse, die Messer und die Uhren anstimmte. Warum er dann sogar zweimal noch The Beatles in diesem Kontext nannte, verstand ich jetzt nicht, aber egal..., war wohl mehr als Joke gedacht. Das letzte Studio-Album «Get It Together» stammt aus dem Jahre 2008 und somit waren die Amerikaner nicht auf der klassischen Promo-Tour für ein aktuelles Werk. Nichtsdestotrotz wussten sie ihre 45 Minuten optimal auszufüllen und empfahlen sich bestens für weitere Auftritte. Zum Glück behielten sie dabei ihre countrymässigen Anwandlungen unter Verschluss, spielten keine Covers (soviel ich weiss) und erfüllten ihre Aufgabe als Anheizer zu 100%.


Thin Lizzy
Also ich muss schon ehrlich zugeben, dass ich zuerst ungläubig mit dem Kopf geschüttelt habe, als ich davon las, in welcher Besetzung der Name Thin Lizzy wieder zu neuem Leben erweckt werden sollte. Obwohl ich die Diva John Sykes für seine Zeit bei den Lizzies, Whitesnake und Blue Murder für immer aufrichtig verehren werde, hat der gelockte Blondschopf mit dem Theater der jüngeren Vergangenheit einige Punkte liegen gelassen. Dieser Meinung muss wohl auch Scott Gorham gewesen sein, der Sykes sicher keine einzige Träne nachweinte und stattdessen das wohl beste Lineup seit den seligen Zeiten mit dem unvergessenen Phil Lynott (R.I.P.) Tatsache werden liess. Dabei stach mir natürlich, wie schon im Vorspann erwähnt, vor allem Ricky Warwick ins Auge. Ich wusste um seine vergangenen Qualitäten als Frontmann / Songwriter und Gitarrist von The Almighty in den 90ern, aber würde nun diese neue Kombination im Umfeld zahlloser Kultsongs wirklich ins Schwarze treffen? Ich musste es zuerst selber sehen, obwohl die ersten Eindrücke von ein paar Youtube-Videos schon mal gewaltig aufhorchen liessen. Gleiches galt natürlich auch für Vivian Campbell als zweiten Gitarristen, der sich kurz darauf ebenso als Volltreffer erweisen sollte. Angeprochen war ansich aber die gesamte, aktuelle Besetzung, zu der neu auch Bassist Marco Mendoza gehört, den man nun wirklich nicht mehr näher vorstellen muss. Dass mit Keyboarder Darren Wharton, nebst Drummer Brian Downey gar zwei alte Recken von früher wieder mit an Bord sind, machte das Ganze noch gehaltvoller. Punkt 21.30 Uhr stiegen dann also tatsächlich Thin Lizzy in der Ausgabe 2011 auf die Bühne des Z7. Das war an dieser Stelle schon die erste, echte Sensation des Abends, bevor überhaupt ein Ton gespielt worden war! Der Opener konnte dann mit «Are You Ready?" nicht besser ausgewählt werden und schon mit dem nachfolgenden «Waiting For An Alibi» waren alle Zweifel, die ich noch irgendwo mit mir rum trug, wie weggeblasen! Du heilige Scheisse..., ich traute meinen Augen und Ohren nicht: Es klang einfach nur genial! Ricky mimte nicht nur den Frontmann, er war es auch zu 100% und das von der ersten Minute an. Mit einer Leichtig- und Lässigkeit ohnegleichen wurde einem Klassiker nach dem anderen neues Leben eingehaucht.

Eigentlich kann ja nichts schief gehen, wenn man Top-Musiker in eine Band rein holt, aber die Chemie muss stimmen, sonst verpufft die ganze Technik im Nichts. Doch einen John Sykes ersetzt man nicht einfach so mit einem Fingerschnippen und darum erstaunte zunächst die Zusage von Vivian Campbell, seines Zeichens aktuell in Lohn und Brot bei Def Leppard. Erfreulicherweise landete man hiermit den zweiten Exploit, der besser nicht hätte sein können. Oldie Scott Gorham und sein neuer Sidekick harmonierten bestens und das so gut, wie wenn sie es schon seit Jahren zusammen zelebrieren würden. Beide steuerten Riffs wie Soli bei und zwischendurch schnallte sich auch Herr Warwick eine Gitarre (teils die akustische) um, weil dieser ja nicht nur über eine charismatische Stimme verfügt. Je länger das Konzert andauerte, desto mehr ver-schmolz die neue Gesangsstimme im Geiste des seligen Phil Lynott (R.I.P.) - Egal ob «Angel Of Death» (nicht etwa eine Cover-Version des gleich benamsten Slayer-Classix!) oder das traumhaft gelungene «Still In Love With You». Ich konnte schon sehr bald mit Fug und Recht behaupten, dass Thin Lizzy noch nie wieder so stark nach Phil's Tod waren, wie jetzt! Dass dabei die Sykes-Ära setlistenmässig ganz bewusst ausgeklammert wurde, fand ich auf der einen Seite schade, aber nachvollziehbar. Die Qualität der gespiel-ten Songs litt natürlich bei der Menge an Hits zu keiner Zeit. Was war das für eine Wohltat nach all dem Knatsch der vergangenen Jahre. Die Fans im Z7 gerieten immer mehr aus dem Häuschen und feierten den Headliner grandios ab. «Sha La La» kam heuer auch bedeutend besser als das letzte Mal daher, wo Drum-Ikone Tommy Aldridge alles in Grund und Boden geklopft hatte. Überhaupt war der Sound von heute Abend schlicht eine Wucht, transparent und mit mächtig Wumms zugleich! Nach lautem Mitsingen zum Smasher «The Boys Are Back In Town» verwaiste die Bühne, aber nicht für lange! Die erste Zugabe gebührte darauf hin «Rosalie» und schon war innert Kürze wieder der Teufel los in Pratteln. Doch das sollte es aber noch nicht gewesen sein, denn nun zog man entgegen der offenbar fixierten Tour-Setliste (es sollte «Bad Reputation» gespielt werden) alle Register mit einer unfassbar geilen Version von «Killer On The Loose»! Ich kriegte den Kiefer für den Rest des Abends nicht mehr zu und als das Licht nach dem finalen «Black Rose», respektive 100 Minuten voller Spielfreude wieder anging (auch ohne dem ansich notierten «The Rocker» als Absacker), waren sich alle einig, soeben dem Konzert-Highlight von 2011 gelauscht zu haben. Bitte bitte..., kommt bald wieder und dann wird die Hütte voll sein, wetten?!!



Setliste: «Are You Ready» - «Waiting For An Alibi» - «Jailbreak» - «Do AnythingYou Want To» - «Don't Believe A Word» - «Dancing In The Moonlight» - «Massacre» - «Angel Of Death» - «Still In Love With You» - «Whiskey In The Jar» - «Emerald» - «Wild One» - «Sha La La» - «Cowboy Song» - «The Boys Are Back In Town» -- «Rosalie» - «Killer On The Loose» - Black Rose» - «The Rocker» (wurde leider nicht gespielt!).