Livereview: Rock Power Festival - Kissin' Dynamite - Bonfire
                               Pussy Sisster - Emerald - Adrenaline 101

08. November 2013, Pratteln – Z7
By Tinu
Eine durchaus löbliche Idee hat sich das Z7 mit diesem Festival ausgedacht. Neben Bonfire sollten speziell Vengeance und Mad Max für einen hohen Zuschaueraufmarsch garantieren und den harten Rock präsentieren. Da aber kurzfristig Vengeance wie auch Mad Max abgesprungen sind und mit Adrenaline 101 und Kissin' Dynamite sicherlich ein guter Ersatz gefunden wurde, entpuppte sich der Besucherandrang als sehr überschaubar. Zudem spielte der «Headliner» keine würdige Headliner-Show, sondern stieg nach 75 Minuten von der Bühne. Dass dies dann Kissin' Dynamite und nicht Bonfire waren, überraschte zusätzlich.

Der zweite Streich des Rock Power Festival wird am 01. März 2014 über die Bühne gehen. Mit Freedom Call, The Order und Crystal Ball tummeln sich interessante Bands im Billing und ich hoffe nur, dass der Zuschauerzuspruch an diesem Samstagabend höher sein wird.

Adrenaline 101
Die helvetischen Adrenaline 101 gingen als erste Truppe auf die Stage. Sänger Delon bewies von Beginn weg, mit welch begnadetem Sangestalent der Junge geboren wurde. Der groovende, moderne Hardrock schien zwar nicht zu Pussy Sisster, Bonfire und Kissin' Dynamite zu passen, aber als Anheizer hinterliess das Quartett eine nachhaltige Duftnote. Bei aller musikalischen Energie, die von der Bühne kam, schien die Truppe selber aber nicht so motiviert zu sein. Das kann sicherlich auch daran liegen, dass zu der frühen Stunde kaum Leute im Z7 waren. Aber wer eine solche Möglichkeit bekommt, muss sie ganz einfach auch nutzen. Jungs, dieser Sound muss mit einer arschtretenden Hingabe präsentiert werden, sonst verpuffen die eigentlich flotten Songs im Niemandsland. Wie bleibt die Action? Passend zum neuen Werk «Demons In The Closet» hätten die Herren zum Tier werden müssen. Leider blieb der Dämon versteckt und so verabschiedeten sich die Musiker mit einer guten Darbietung, bei der ich sicher bin, dass die Truppe in einem kleinen Club die Decke zum Schwitzen bringen würde… Der Sound und die Songs kickten den Allerwertesten, die Performance bei Weitem nicht.


Emerald
Als zweite Truppe stieg die Iron Maiden-Gedächtnisband Emerald auf die Bühne. Es ist bekannt, dass Gitarrist Michael Vaucher ein bekennender Maiden-Fanatiker ist, dass deshalb aber Sänger Thomas Winkler gleich die ganzen Bewegungsabläufe von Bruce Dickinson kopieren muss, geht doch eine Spur zu weit. Musikalisch gibt es an Emerald kaum was zu bemängeln. Mit ihren «Underground»-Metal, der mit sämtlichen Treuebekenntnissen versehen ist, passt man sicher besser zu Helstar, mit denen der Sechser kürzlich auf Tour war, als hier auf diese Rock Power-Geschichte. Aber! Die Songs begeistern, die Ansagen kommen meistens auf den Punkt und der Mitreissfaktor passt. Dagegen sind die hohen Schreie für nicht Alpha Tiger-Fans oft ein «touch too much». Die Hingabe, wie Emerald die Songs darbieten, sucht sicherlich Ihresgleichen, denn den Musikern steht die Freude förmlich ins Gesicht gemeisselt. Die Posen stimmen, die Matten kreisen und die geballte Faust in den Reihen der Fans stieg mit jedem Song. Erstaunlich auch das Aufgebot an Filmkameras. Schlussendlich folgte, was folgen musste und mit «Wasted Years» spielten die Schweizer eine Iron Maiden-Coverversion. Abgesehen davon, dass selbst Maiden sich heute an diesen Track die Zähne ausbeissen, kommt es einer Gotteslästerung gleich, die Bassparts von Steve Harris mit einem Plektrum zu spielen. Der Solopart gehört zumindest an diesem Abend nicht zu den Glanztaten von Emerald und wenn selbst ein Die-Hard-Maiden-Maniac mit verzerrtem Gesicht in der Halle steht, dann fragt man sich: «...hätte man sich diesen Song nicht besser sparen sollen?» Trotzdem war die Präsentation des Vaucher-Ensembles bedeutend besser, als jene von Adrenaline 101.

Pussy Sisster
Die nächste Band stammt aus Karlsruhe und hört auf den unmissverständlichen Namen Pussy Sisster. Musikalisch heisst das, wir bewegen uns im Fahrwasser von Faster Pussycat und Tigertailz. Wer bis anhin das Gefühl hatte, dass Tobias Sammet (Edguy, Avantasia) zu viel auf der Bühne plaudert, der hat die Pussy Sisster noch nie gesehen. Alex labert ohne Unterbruch und wenn eine kurze Spielzeit ansteht, wäre es besser, sich auf das Wesentliche, die Musik zu konzentrieren. Auch wenn an diesem Abend unzählige Male der neue Gitarrist vorgestellt wird, und man sich Gedanken machte, den Gig zu canceln. Man sah es dem unsicheren Sleaze-Rocker mit den sechs Saiten an, dass er sich unwohl fühlte. Also spielt! Ach ja, und wer bis jetzt noch nicht wusste, wie sich die Familie des Bassisten am Sonntagmorgen beim gemütlichen Morgenessen begrüsst, der weiss es zumindest seit diesem 08. November 2013: «Prost ihr Säcke!» Dieser Satz wurde logischerweise dann gleich auf die anwesende Frauenschar umgemünzt mit: «Prost ihr Pussies! Was viel wichtiger war, dass mit dieser Truppe der Spass-Faktor sofort höher und flächendeckender verstreut wurde. Die Pussy Sisster rockten die Hütte und begeisterten auf der ganzen Linie. Dass der Vierer schon ab und zu mit den nachfolgenden Bonfire unterwegs war und sich die beiden Truppen die Garderobe teilten, führte dazu, dass schon während des Gigs auf die kommende Party eingestimmt wurde. Was Sänger Alex noch nicht wusste, war, dass Claus von Bonfire diese verbale Vorlage schon bald als «running gag» nützte. Anyway, musikalisch sind die Pussys sicherlich nicht der Überflieger, aber als Einheizer für einen gelungenen und packenden Konzertabend jedoch eine sichere Bank. Darum gern wieder, wo auch immer, aber dann mit mehr Musik bitte!

Bonfire
Bonfire nützten dann die folgenden sechzig Minuten voll aus und schöpften aus einem unendlichen Fundus an Hits. Mit dem Dreierschlag «Tony's Roulette», «But We Still Rock» und «Never Mind» startete der Fünfer und machte von Beginn weg klar, wer an diesem Abend der eigentliche Headliner ist! "Säli zäme" war die in akzentfreiem Schwyzerdütsch dargebo-tene Begrüssung. Da die Reaktion eher kleinlaut ausfiel, nutzte Claus die Gunst der Stunde mit folgenden Worten: «Seit August habe ich an diesem Satz geübt, und dann gibt es eine solche Reaktion…» Der Lacher war garantiert, das Eis, wo es denn noch Bestand hatte, gebrochen und dem Siegeszug konnte kein Einhalt mehr geboten werden. Claus überzeugte mit seiner Stimme, seinem bayrischen Schmäh, Schalk und Pepp. «Singt ihr bei «Hot To Rock» mit? Nicht zu laut, aber etwas muss schon gehen!» Dieser Aufforderung kamen die Anwesenden, ob jung oder alt, gerne nach. «Die Pussies haben gesagt, es gebe heute noch eine Party. Da habe ich zu Uwe gesagt, Uwe, die meinen UNS!» Bonfire waren die alten Profis auf der Bühne, rockten ohne Ende und jeder Musiker, die beiden Gitarristen Hans Ziller, Chris Limburg, Bassist Uwe Köhler und Sänger Claus Lessmann posten, rockten und setzten sich in Szene. Und da Harry Reischmann beim Schlagzeugsolo wieder Feuer spie, wurde auch der optische Reiz nicht aussen vor gelassen. Die Show war authentisch, begeisterte und jeder im Publikum sang die Lieder mit. Logisch bei solchen Perlen wie «Fantasy», «Proud Of My Country», «Under Blue Skies», «Sweet Obsession» und der Gänsehautballade «You Make Me Feel». Beim letzten Song haderte der Sänger dann mit der Neuzeit: «War das geil, als man noch rauchen durfte und die Feuerzeuge bei den Balladen gezückt wurden!» Tja, der einzige Wermutstropfen dieser Show war die Spielzeit und die unendlich vielen Lieder, die Bonfire dadurch nicht spielen konnten. Das nächste Mal bitte wieder eine eigene Headliner-Show, auch wenn die Münchner an diesem Abend bewiesen, dass sie auch aus einer Stunde ein Freudenfeuer entfachen können.

Kissin' Dynmite
Ich mache es kurz. Kissin' Dynamite ist eine junge, aufstrebende Truppe, die nach dem phänomenalen Gig von Bonfire nur verlieren konnte. Die Jungs um Sänger Hannes (Aktivposten um das Ozonloch zu vergrössern, sieht man sich seine Frisur an!) boten eine agile und spielfreudige Show. Dabei wurden optisch aber auch Akzente gesetzt, auf die man gerne verzichten würde. Denn wer will schon den nackten Oberkörper von Gitarrist Ande den ganzen Abend über sehen? Okay, abgesehen von einigen Frauen - Sicherlich sind in Bezug auf die Action auf der Stage die jungen Wilden den Rockern von Bonfire einiges überlegen. Allerdings ist das Songmaterial noch nicht so ausgereift, wie jenes der Münchner und das macht den entscheidenden Unterschied aus. Klar hört man sich gerne die Lieder der Alben «Steel Of Swabia», «Addicted To Metal» und «Money, Sex And Power» an, den Evergreen-Test können die Songs aber noch nicht bestehen. Mit Hannes hat der Fünfer einen mitreissenden, authentischen und Spass verbreitenden Sänger in den Reihen. Einer, der sich nicht nur auf die Frauenwelt fokussiert, sondern auch das Publikum als Ganzes sieht. Die stetig leicht nach vorne gebückte Haltung, die oft wiederkehrende Frage, ob das Publikum Spass hat und sein Gepose gehören zu ihm, wie das Amen in der Kirche. Dass er logischerweise auch was auf Schwyzerdütsch gelernt hat, da sie zum ersten Mal im Z7 auf der Bühne standen, war logisch. Dass es dann «Schwyzer Schoggi im Chuchichästli» war, irgendwie auch... - Kissin' Dynamite überzeugten mit einer sehr guten Show und beendeten diesen Abend damit, beste Werbung in eigener Sache gemacht zu haben.

Trotzdem blieb bei einigen Anwesenden die Frage offen, wie sich der Abend entwickelt hätte, wären Vengeance und Mad Max aufgetreten...