Rocksound Festival 2008
05.06.2008 (Erster Tag) Sportzentrum, Huttwil (BE)
By Roger W. (Rog), El Muerte (Mue) & Kissi (Kis) - All Pics by Rockslave
2005 und 2006 noch ein Fr/Sa/So-Event, reduzierte man das Rocksound Festival 2007 auf nur noch zwei Tage. Dieses Jahr nun erweiterte man das Programm um den Donnerstag Abend, an welchem drei hochkarätige Bands die Mainstage in der grossen Eishalle beackerten. Nach den Newcomern Black Tide aus den USA, den aktuellen Chartbreakern und Avantgarde-Metaller Opeth war es die Welt-Livepremiere von Avantasia, Tobias Sammets Metal-Oper, welche mit einer Hand voll Gaststars und jede Menge Energie aufwartete. (Kis)
Black Tide
Entjungfert wurde die Bühne und das Gehör der diesjährigen Rocksound-Besucher von der Newcomer-Überraschung Black Tide. Die blutjungen Amerikaner – noch nicht mal volljährig – können in Europa zwar noch nicht auf einen grossen Bekanntheitsgrad zurückgreifen, machten dies aber ohne Probleme mit verdammt viel Enthusiamus, Tightness und Dynamik wett. Vor noch nicht allzu vielen Leuten zockten die vier Jungs in klassisch-truer Optik (lange Haare, Jeans, Leder, Nieten, Metallketten) Songs vom Debütalbum «Light From Above» wie etwa der Metalkracher «Shockwave» mit NwoBHM-Anleihen, «Warriors Of Time» oder «Black Abyss», wobei gerade das temporeiche Stageacting, welches Black Tide neben ihrem technischen Können präsentierten, die Anwesenden anheizten. Während instrumental alles einwandfrei ablief, war es der Gesang, welcher von Gabriel Garcia (git.) und Zachary „Zack“ Sandler (bass) übernommen wurde, welcher noch optimierungsfähig daherkam. Dabei traf man zwar alle Töne, es fehlte jedoch die prägnante und ausdrucksstarke Stimme. Dennoch konnte der Auftritt der Jungspunde mehr als überzeugen, posten sie doch was das Zeug hielt, zockten zweistimmigige Gitarren-Leads, als wäre es das einfachste auf der Welt und motivierten mit ihren Sprüchen („Who's gonna be drunk tonight?“) die Anwesenden zum Mitmachen, was auch überraschend gut gelang. Dabei präsentierte sich das Quintett tausendmal authentischer und ehrlicher, dabei aber auch spontaner und sympathischer als andere Vertreter der neuen Heavy-Metal-Generation wie etwa Dragonforce. (Kis)



Opeth
Bis vor wenigen Jahren wären Opeth als Festival-Band noch völlig undenkbar gewesen - Als zu komplex und unübersichtlich wurde die Musik vom durschnittlichen Festivalbesucher eingestuft, ein Urteil, das jeden Festival-Organisator in den Ruin treiben würde. Mittlerweile hat sich allerdings einiges getan, und zwar auf beiden Seiten: Opeth sind seit «Damnation» und «Ghost Reveries» zu einem internationalen Begriff geworden, ihr latenter Hang zu 80er-Jahre ProgRock hat ihnen zudem das Tor in die Welt der Prog-Fanatiker geöffnet - Und Festivalveranstalter haben extreme Musik endlich mehr oder weniger als solche anerkannt, und gezielt mit eingeplant. Wie Bandleader Mikael Åkerfeldt noch nachmittags im Interview andeutete, ist sich die Band selber über ihren Status auch in den hiesigen Gefilden noch nicht ganz bewusst - Und das obwohl sie beispielsweise letztes Jahr das Heitere OpenAir im Sturm nahmen. Als Opeth dann um 20h00 Uhr gemütlich auf die Bühne trotteten, zeigte sich das Ausmass ihres Irrtums erst richtig: Die Halle war bei weitem besser gefüllt als vorprognostiziert, und dem Begrüssungsapplaus mischten sich bereits zahlreiche Zurufe bei. Die Band begann ihr Set mit dem Klassiker «Demon Of The Fall» vom Album «My Arms, Your Hearse», und offenbarte gleich vom ersten Ton an ihre musikalische Brillianz - Obwohl der Klang bei weitem unter jedem Standard lag, und auch Opeth selber mit den Umständen auf der Bühne zu kämpfen hatten, sass jeder Saiten-, Tasten-, und Fellschlag, während Mikael unablässig seinen Stimmbändern Äusserstes abverlangte. Dementsprechend enthusiastisch reagierte dann auch das Publikum, schwelgte aber dafür während den Songs lieber in Opeth'schen Klanggefilden, anstatt die Haare kreisen zu lassen. Das reduziert und ruhig gehaltene «To Rid The Disease» markierte nach dem selten live gehörten «Master's Apprentice» und dem brutalen «Baying Of The Hounds» einen weiteren Höhepunkt, auch wenn viele Besucher die gesenkte Lautstärke als Ermunterung zum Diskutieren missverstanden - Sensationell true auch die beiden Jungspunde hinter mir, die Opeth zwar als schwul betitelten, selber aber in Avantasia-Shirts rumstanden. Ohne hier Avantasia abschätzig einstufen zu wollen… Opeth gehen aus diesem Duell dann aber doch ziemlich klar als Sieger hervor. Mikael nutzte die kurzen Pausen zwischen den Songs um seinen wie üblich trockenen Humor ans Volk zu bringen, und kündete das neue Stück «Heir Apparent» deshalb mit den Worten «If you don't like this song, your music-taste is shitty» an. Das Stück mit seinen brutalen Doublebass- und Grunz-Parts markierte dabei den härtesten Punkt des Sets, weswegen Opeth darauf strategisch geschickt mit «The Drapery Falls» abschlossen - Ein Song, der über die letzten Jahre nur spärlich live gespielt wurde. Der grösste Teil des Publikums schien dies angemessen zu würdigen, und verlangte am Ende des Sets standesgemäss nach Zugaben - Welche die Band aufgrund der äusserst knapp bemessenen Spielzeit aber leider nicht bringen konnte. Alles in allem also durchaus eine feine Sache, Opeth an einem Festival auftreten zu lassen - Aber wenn Mikael's Ankündigung wahr wird, dann taucht die Band Ende Jahr irgendwo in der Schweiz für eine eigene Headliner-Show auf… Und da müsste dann eigentlich auch der Sound und das Publikum passen. (Mue)

Setlist Opeth: «Demon Of The Fall» - «Master's Apprentice» - «Baying Of The Hounds» - «To Rid The Diesease » - «Wreath» - «Heir Apparent» - «The Drapery Falls»



Avantasia
Die speziellste Show und der eigentliche Grund für den Rocksound-Donnerstag war das Konzert von Avantasia, weshalb ich mir auch erlaube, hier ein bisschen ausführlicher zu berichten. Edguy-Sänger Tobias Sammet hat es nach drei Alben geschafft, sein Solowerk auf die Bühne zu bringen. Und so kam das Publikum in den Genuss der ersten von insgesamt 14 Shows weltweit. Man durfte gespannt sein, was einen erwarten würde. Eines war indessen schon vorher klar, nämlich die Frage, wer als Musiker und insbesondere als Sänger in Huttwil dabei sein wird. Namen wie Jorn Lande, Bob Catley (Magnum), André Matos (Ex-Angra und Ex-Shamaan), Oliver Hartmann (Ex-At Vance), Amanda Somerville und Claudy Yang liessen einem dabei bereits im Vorfeld das Wasser im Mund zusammenlaufen. Auch die Instrumente waren hochgradig besetzt und so brillierten an den Gitarren Produzent Sascha Paeth und der bereits erwähnten Oliver Hartmann. Am Bass tobte sich Multiinstrumentalist Robert Hunecke, am Keyboard die Komponistenlegende Michael Rodenberg alias Miro und am Schlagzeug, anders als angekündigt, Edguy-Buddie Felix Bohnke aus. Und dann war es endlich soweit, Zeit für eine spezielle Show, die für sich bereits jetzt legendär ist. Auch wenn ich persönlich am Konzert noch ein paar Änderungen vorgenommen hätte. Aber gemeckert wird später.

Vorhang auf für Avantasia: Die Show wurde mit dem Geräusche-Intro von «Twistet Mind» eröffnet, dem gleich darauf der eigentliche Song folgte. Von den Gastsängern war allerdings noch nichts zu sehen und zu hören, dafür prangte im Hintergrund der Bühne das Scarecrow-Cover als Banner. Das Titelstück dieses Albums bildete dann auch den zweiten Song des Sets. Mutig, denn mit 12 Minuten ist das Lied doch sehr lang, glänzt aber mit einem herrlichen Akkustik-Teil. Fragte ich mich im Vorfeld noch, ob dies heute eine Generalprobe geben würde, war spätestens hier klar, dass dies nicht der Fall war. Zu motiviert war die Band und Tobias Sammet freute sich wie ein kleiner Junge. Aber die heiss erwarteten Gastsänger waren nach wie vor nirgends auszumachen. Dies änderte sich erst mit «Another Angel Down», wo ganz zaghaft Jorn Lande auftauchte und mit seiner gewaltigen Stimme punkten konnte. Tobias Sammet selbst schien dabei zwischenzeitlich gar stimmliche Probleme zu haben und fiel damit im Vergleich zu Lande deutlich ab. Nicht nur mit seiner Stimme, sondern auch mit einer Schweizer Fahne in der Hand heimste anschliessend André Matos beim Avantasia 1 Song «Reach For The Light» Sympathien ein. Aber nicht nur die verschiedenen Stimmen sorgten für ganz unterschiedliche Atmosphäre, auch das Auftreten der Sänger selbst sorgte für Abwechslung. War Matos zusammen mit Sammet das energiegeladene Dreamteam, sorgte der Auftritt von Bob Catley bei «The Story Ain’t Over» eher für eine respektvolle Vater-Sohn-Stimmung. Kontrovers wurde es bei «Lost In Space», der umstrittenen Single, die trotz Sammets Ankündigung zu zeigen, dass der Song was taugt, auch in der Gitarren-lastigeren Version nicht bei allen gut ankam. Ob das der Grund war, weshalb danach die Stimmung für mehrere Songs merklich sank, obwohl Oliver Hartmann bei «I Don’t Believe In Your Love » seine gesangliche Klasse bewies? Vielleicht lag es aber auch an den leicht Umarrangierten Songs von Avantasia 1. Namentlich das mit Keyboardsolo vorgetragene «Avantasia» und das zu wenig druckvoll dargebotene «Serpents In Paradise». Spätestens mit «Promised Land» hatte die Band das Publikum aber wieder in der Hand und spielte gar Theater auf der Bühne.

Dies erinnerte plötzlich daran, dass man ja hier eine Rock-Oper sah, welche aber wie eine normale Rock-Show mit Gastsängern wirkte. Waren hier meine Erwartungen zu hoch? Hatte ich tatsächlich eine eigentliche Geschichte anstelle von eher zufällig aneinander gereihten Songs erwartet? Tatsache ist, dass hier das Potential deutlich grösser gewesen wäre, was auch der anschliessende theatralischere Zugabeteil unterstrich. Tobias Sammet kam mit Hut auf die Bühne und sang mit ungewöhnlich tiefer Stimme den im Original von Alice Cooper intonierten «The Toy Master». Waren die beiden Background-sängerinnen Claudy Yang und Amanda Somerville bisher eher im Hintergrund, kam letztere bei «Farewell» nach vorne und ersetzte Sharon Den Adel (Within Temptation), bevor es Zeit für das bilderbuchartige „Grande Finale“ mit dem langen «Sign Of The Cross» war. Hier kamen sämtliche Sänger nochmals auf die Bühne, zeigten nochmals ihren Spass an der Sache und bildeten einen gewaltigen Chor. Tobias Sammet liess es sich dabei nicht nehmen, in einem Zwischenteil ausführlich die Band vorzustellen und erntete dafür einen unglaublichen Applaus, welcher sich zu einem wahren Hexenkessel steigerte. Sammet war davon sichtlich gerührt und führte die Show ihrem Ende zu, welche im Refrain von «The Seven Angels» ihren würdigen Abschluss fand. Ja, ich hätte gerne mehr als nur einen Avantasia 2-Song gehört, das ganze hätte theatralischer wirken können, die Songauswahl in sich geschlossener und das neue Album hätte weniger prominent vertreten sein können. Aber schlussendlich sind das nur Variantenvorschläge. Was bleibt sind ein tolles Erlebnis und das unheimlich gute Gefühl, hier etwas Einmaliges und Grossartiges gesehen zu haben. (Rog)

Setliste: «Twistet Mind» - «The Scarecrow» - «Another Angel Down» - «The Story Ain’t Over » - «Shelter From The Rain» - «Lost In Space» - «I Don’t Believe In Your Love» - «Avantasia » - «Serpents In Paradise» - «Promised Land» - «The Toy Master» - «Farewell » - «Sign Of The Cross/The Seven Angels»

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